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Ärztliche Diagnostik - Alkoholabhängigkeit erkennen



Auszüge aus:

Die ärztliche Diagnostik des Alkoholmissbrauchs

"Die Diagnosestellung, die nur bei fortgeschrittenem Krankheitsbild leicht ist, (wird) durch Abwehr des Patienten erheblich erschwert, der seine Realität in der Regel nicht akzeptiert, verdrängt und somit verkennt."

"Um Alkoholkranke zu diagnostizieren und zu identifizieren, benötigt der Arzt nicht nur ausreichende Kenntnisse über Wesen, Formen, Entwicklung und Folgeschäden der Alkoholkrankheit, sondern auch eine annehmende, einfühlende und verstehende Haltung, die dem Patienten gestattet, Ängste und Abwehr zu reduzieren, eigene Realität anzunehmen und sich mitzuteilen."

"Da sich in den Frühstadien der Alkoholkrankheit somatische Folgeschäden nach Trinkpausen rasch zurückbilden und selbst ausgeprägte alkoholinduzierte Organschäden nach jahrelanger manifester Alkoholabhängigkeit weitgehend unspezifisch und somit zur Sicherung der Diagnose nur bedingt relevant sind, ist der Arzt auf Angaben des Patienten angewiesen. Erhebungen von körperlichen, seelischen und sozialen Schäden, die eine alkoholtoxische Genese vermuten lassen, gestatten erst im Zusammenhang mit Kenntnissen über Form, Pathologie und Entwicklung des Trinkverhaltens, die Diagnose zu stellen."



+++ Auf den ersten Blick

Bereits bei der ärztlichen Untersuchung können Alkoholprobleme erkannt werden. 'Auf den ersten Blick' erkennbare Anzeichen sind:

Alkoholfahne bzw. wiederholter 'Pfeffigeruch', gerötetes und/oder aufgedunsenes Gesicht, gerötete Bindehaut, Voralterung, ein bräunlich/gelblich-blasser Hautton, zitternde, feuchte Hände, ungepflegtes Erscheinungsbild, unsicherer Gang ('tapsig', leicht breitbeinig), motorische Unruhe, Nervosität, Fahrigkeit, Tremor, vermehrtes Schwitzen, Bierbauch und Muskelatrophie an den Beinen sowie ein gereiztes Verhalten mit verminderter Impulskontrolle (Aggressivität).

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+++ Klagen des Patienten

* über Unruhezustände, Schweißausbrüche, feuchte Hände und Tremor der Hände

* über Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, Gedächtnislücken, Schlafstörungen und Leistungsabfall

* über Appetitlosigkeit, Magen-Darm-Störungen, Völlegefühl im Oberbauch, morgendliche Übelkeit und gehäufte Durchfälle

* über Sensibilitätsstörungen, Unlustgefühle, depressive Verstimmungen und Störungen der sexuellen Potenz

sollten den Arzt immer veranlassen, Alkoholismus als Ursache in sein differentialdiagnostisches Denken einzubeziehen. Quelle: ebda."

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+++ Fragen an den Patienten unter Berücksichtigung der verschiedenen Trinkmuster

Fragen nach dem Trinkverhalten des Patienten müssen sowohl Symptome des Gamma- als auch des Delta-Alkoholismus berücksichtigen. Fragen, die ausschließlich Trinkmenge und Trinkhäufigkeit betreffen, lassen lediglich Alkoholmissbrauch, nicht aber Alkoholkrankheit erkennen. Diagnostisch relevante Fragen berücksichtigen:

* Erleichterungstrinken (Trinken wegen der Wirkung)

* starkes Verlangen nach Alkoholkonsum

* Gedächtnislücken nach Alkoholkonsum ("Filmrisse")

* allein und heimliches Trinken

* Kontrollverluste

* körperliche Entzugszeichen (z. B. Tremor der Hände)

* Toleranzentwicklung (Zunahme der Verträglichkeit)

* morgendliches Trinken

* tagelanges Trinken

* körperliche und soziale Folgen durch Alkoholkonsum.

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+++ Körperliche Anzeichen

* Fleckige Rötungen der Daumen- und Kleinfingerballen, der Fußsohlen sowie der Endglieder der Finger an den Handinnenflächen (Palmarerythem)

* Graue, teigige Haut, Geldscheinhaut

* Facies alcoholica

* häufige Konjunktivitis

* 'Knollennase' (Rhinophym), rote Nase

* Lacklippen (glänzend rot, wie mit Lippenstift bestrichen), Lackzunge

* Vergrößerung der männlichen Brustdrüsen (Gynäkomastie)

* Lebersternchen (Spider naevi), geplatzte Äderchen um einen zentralen roten Punkt herum, Gefäßerweiterungen in der Haut (Teleangiektasien), auffällig rote Handflächen (Palmarerythem)

* Weißnägel, wie Sanduhren vergrößerte letzte Fingerglieder (Sanduhrnägel)

* Mikrobielle Ekzeme, Akne rosacea, Schuppenflechte

* Schrumpfung der Hoden (Hodenatrophie)

* Hämorrhoiden

* Beuge-Kontraktur der Finger (Dupuytren-Kontraktur)

Palmarerythem Rhinophym Dupuytren-Kontraktur Lackzunge

Palmarerythem Q, Rhinophym Q, Dupuytren-Kontraktur Q, Lackzunge Q

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Alle für Alkoholmissbrauch typischen Folgeerkrankungen sollten Anlass zur Nachfrage sein.

Bestimmte Krankheitsbilder sind typisch für einen fortgesetzten Alkoholmissbrauch: Leberschäden (Fettleber, Leberzirrhose, Hepatitis), rezidivierende Gastritis, Pankreatitis und Oesophagitis, Dupuytren'sche Kontraktur, Infektneigung, Polyneuropathie, Potenzstörungen, Depression, Schlafstörung, Unterzuckerung bei Diabetes mellitus, Appetitlosigkeit, Entzugserscheinungen und cerebrale Anfälle.

Probleme bei der Nahrungsaufnahme, häufige Intoxikation und chronischer Vitaminmangel führen zu einem allgemein schlechten Gesundheitszustand. Das Immunsystem ist geschwächt, der Patient ist besonders anfällig für Krankheiten aller Art.

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+++ Alkoholtypische psychische Veränderungen und Verhaltensänderungen

Alkoholkranke zeigen durch Aktivierung von Abwehrmechanismen, Traumatisierung des Selbstwertgefühls und zunehmende Ich-Schwäche Verhaltensänderungen, die dem aufmerksamen Arzt Gelegenheit geben, die Diagnose Alkoholismus zu erwägen. Es zeigen sich häufig:

* vermehrte Überempfindlichkeit und Unsicherheit, verminderte Frustrationstoleranz

* zunehmendes Misstrauen, Flucht- und Ausweichtendenzen, auffallende Stimmungslabilität mit gehäufter depressiver Verstimmung

* verminderte emotionale Kontrolle

* Ambivalenz zwischen Passivität und Aggression

* Wechsel zwischen renommistischem Imponiergehabe und Selbstmitleid

* Abnahme des Durchhaltevermögens

Rückfragen bei Partner und Angehörigen lassen häufig pathologisches Trinkverhalten als Ursache dieser Stimmungs- und Verhaltensänderungen erkennen."

Viele psychische Erkrankungen begünstigen die Entwicklung von Alkoholabhängigkeit. Dazu gehören vor allem bereits bestehende andere Abhängigkeiten, Psychosen, Angststörungen und Depressionen. Traumata, Missbrauchserfahrungen und gravierende soziale Probleme können Auslöser für Alkoholprobleme sein. Zunehmende familiäre Konflikte, finanzielle Probleme, der Verlust des Arbeitsplatzes, häufige Unfälle und Führerscheinentzug sollten ebenfalls aufhorchen lassen.

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