Halluzinosen
Bei dieser selteneren Psychose bestimmen vorwiegend akustische Wahnvorstellungen
das Krankheitsbild. Das Bewusstsein ist klar. Der ängstlich-gequälte
Alkoholiker hört meist Stimmen mehrerer nicht anwesender Personen,
die in seiner Einbildung über ihn "diskutieren und schimpfen".
Manche Kranke versuchen, den "Stimmen" zu entfliehen.
Sie verbarrikadierten sich wie "Belagerte" in ihrem Zimmer.
Die Alkoholhalluzinose tritt meist im mittleren Lebensalter auf, oft
nach einer Periode von Trinkexzessen. Wird der Alkohol abgesetzt, so
klingt die Halluzinose in den meisten Fällen innerhalb weniger
Tage ab. Trinken die Kranken wieder, kommt es leicht zu einer Wiederholung.
Bei einem Fünftel der Fälle wird die Alkoholhalluzinose chronisch
(schizophrenieähnlich). In seltenen Fällen ist der Endzustand
eine Demenz.
Zur Behandlung von Halluzinosen werden in der Regel
Neuroleptika
und bei Epilepsien
Antikonvulsiva eingesetzt.
Krampfanfälle
Die Anfälle gleichen denen der Epilepsie.
Sie treten ebenfalls häufig bei plötzlichem Entzug
(20-30 % der Abhängigen) auf, allein oder als Begleiterscheinung
des Delirs.
Es gibt auch "nasse Krämpfe" während der Trinkphasen.
Ist einmal ein Krampfanfall aufgetreten, bleibt die Neigung dazu chronisch.
Bei jedem epileptischen Anfall kommt es zu einem Massensterben von Gehirnzellen.
Der Alkoholkranke stürzt wie ein Epileptiker plötzlich unter
schweren Zuckungen und Krämpfen zu Boden und kann sich dabei ernsthaft
verletzen. Erbrechen während eines Anfalls kann zum Tod durch Ersticken
führen.
Vorbeugend werden Krampfanfälle bei den dazu neigenden Patienten
(falls bekannt) mit
Carbamazepin
behandelt.
Wernicke-Krankheit
Die Wernicke-Enzephalopathie ist eine schwere alkoholbedingte Psychose,
die nach einem Alkoholdelir
auftreten kann. Sie ist die Folge einer Hirnschädigung, die - wie
auch die Korsakow-Erkrankung
- wahrscheinlich auf einen chronischen Mangel an Thiamin (Vitamin B1)
zurückzuführen ist. Der Übergang zum
Korsakow-Syndrom
ist fließend, weshalb die Krankheit oft auch Wernicke-Korsakow-Syndrom
genannt wird.
Typisch für die Wernicke-Enzephalopathie sind:
* Schläfrigkeit und Apathie
* Augenmuskellähmungen und Doppeltsehen
* Beeinträchtigungen der Muskelbewegungen, Reflexstörungen,
Störungen der Feinmotorik
* Sprech- und Schluckstörungen
* Bewusstseinstrübungen, Desorientiertheit, Schlafstörungen sowie
* verschiedene vegetative Störungen.
Nur bei absoluter Alkoholabstinenz mit gleichzeitiger Gabe von
Thiamin
(Vitamin B1) kann nach längerer Zeit die Leistungsfähigkeit
unter Umständen partiell wiederhergestellt werden. Wird die Wernicke-Krankheit
nicht behandelt, kann sie tödlich verlaufen. Überlebt der
Patient, bleibt meist ein Korsakow-Syndrom zurück.
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Alkoholdelir (Delirium Tremens)
Alkoholdelirien treten nachjahrelangem schwerem Alkoholmissbrauch während
eines starken Rausches oder während des
Entzugs
auf.
Ernstzunehmende Vorboten des gefährlichen Anfalls zeigen sich
oft bereits Wochen vorher. Anlass zur Sorge und Intervention bieten:
Schlaflosigkeit, Zittern, Schreckhaftigkeit und vor allem furchteinflößende
halluzinatorische Zustände bei Nacht, bei denen imaginierte Personen
und Tiere in oft theaterähnlichen Szenen auftreten und den Alkoholiker
bedrohen. Jede Form der
Halluzination,
und sei sie auch 'nur' akustisch, sollte Grund für einen Arztbesuch
sein, um Schlimmeres zu verhindern.
Das 'Alkoholdelirium' oder 'Prädelir' ist Teil einer Alkoholpsychose,
die durch verschiedenste optische und akustische Sinnestäuschungen
gekennzeichnet ist. Die Persönlichkeit des Alkoholkranken scheint
'gespalten'. Blutdruck und Puls erhöhen sich, Zittern und starkes
Schwitzen werden zum Problem.
Ein Delirium
Tremens ist ein lebensbedrohlicher Anfall, der bei 20% der unbehandelten
Fälle tödlich verläuft! Zu einem unfreiwilligen
Entzug
mit fatalen Folgen kommt es häufig nach Unfällen mit anschließender
Einweisung in ein Krankenhaus, wenn das Pflegepersonal entweder nicht
über die Alkoholerkrankung des Patienten informiert ist, oder die
Tragweite eines plötzlichen Entzugs nicht erkennt. Bei der stationären
Behandlung von Alkoholkranken ist immer äußerste Vorsicht
geboten. Das Auftreten eines Delirium Tremens muss unter allen Umständen
verhindert werden.
Beim extremen Rausch sowie auch beim plötzlichem Absetzen des
Alkohols kann es bei schwer Alkoholabhängigen nach 1 bis 3 Tagen
zu einer dramatischen Fehlschaltung im Gehirn kommen, die verheerende
Folgen hat.
Häufige Begleiterscheinung des Delirium Tremens sind:
1.) Bewusstseinstrübungen, Halluzinationen (Einbildung von Stimmen,
Personen) bis hin zur völligen Geistesverwirrung
2.) Starke Ängste, traumatische Zustände, Weltuntergangsstimmung,
Verfolgungswahn (Achtung: Gefährdung des eigenen Lebens und des
Lebens anderer!)
3.) Epilepsieartige Krampfanfälle
bis hin zum 'Grand Mal' mit einer erhöhten Verletzungsgefahr
4.) Orientierungslosigkeit bezüglich Ort, Zeit und Situation;
die personenbezogene Orientierung bleibt jedoch meist erhalten
5.) Erhöhte Beeinflussbarkeit, Minderung der Kritikfähigkeit
6.) Psychomotorische Unruhe (nestelnde Hände, Fahrigkeit, Gestikulieren,
Schreien)
7.) Gefahr eines Kreislaufzusammenbruchs
Das Delir wird auch als Einbruch von Traumphasen in den Wachzustand
interpretiert. Es dauert gewöhnlich 2 bis 5 Tage und klingt spontan
ab. Manche Patienten zeigen vor dem eigentlichen Delir Prodomalerscheinungen
(Schreckhaftigkeit, Angst, Zittern). Dieser Zustand wird Prädelir
genannt. Ein Delir kann in ein Korsakow-Syndrom,
eine alkoholische Demenz oder in die
Wernicke-Krankheit
übergehen.
Das Delirium Tremens kann nur auf einer Intensivstation behandelt werden.
Es lässt sich mit
Clomethiazol
dämpfen (Blutdrucksenkung), nach Bedarf muss zusätzlich
sediert werden, z.B. mit
Benzodiazepinen.
Nicht selten besteht bei häufig auf Entzug behandelten Patienten
eine Abhängigkeit von Distraneurin (Clomethiazol). In solchen Fällen
wird das weniger wirksame
Butyrophenon
(z.B. das
Neuroleptikum
Haloperidol) verwendet.
Umfangreicher
Artikel zur Behandlung von Delirien »
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Korsakow-Syndrom
Diese schwerste Form der Gehirnschädigung durch Alkohol wurde
nach dem russischen Psychiater
Sergej
Korsakow benannt, der sie 1880 erstmals beschrieb. Der davon betroffene
Alkoholkranke erleidet durch das Absterben bestimmter Gehirnregionen
einen gravierenden Gedächtnis- und Orientierungsverlust, der zur
Folge hat, dass er unter Umständen überhaupt kein "Gestern"
oder "Morgen" mehr kennt, sich räumlich nicht mehr
orientieren kann, und auch engste Bezugspersonen nicht wiedererkennt.
Trotz aller Einschränkungen können jedoch Aufgaben, die auf
eingespeicherten motorischen Programmen beruhen, ohne weiteres erlernt
und und ausgeführt werden.
Einige Betroffene glauben in einer anderen Zeit und/oder an einem anderen
Ort zu leben. Sie passen dann häufig auch ihr Verhalten dieser
imaginierten Umgebung an.
Häufig ist die Merk- und Lernfähigkeit schwer beeinträchtigt.
Neue Informationen können entweder gar nicht erst gespeichert oder
nach der Aufnahme nicht artikuliert werden ('anterograde Amnesie').
Im Falle einer retrograden
Amnesie
kann der Patient die Vergangenheit nicht rekapitulieren oder mitteilen.
Ein weiteres Merkmal der Korsakow-Erkrankung ist die Konfabulation.
Der Alkoholkranke erzählt Geschichten, die schlichtweg erfunden
sind, aber von ihm als wahr empfunden werden. Häufig fließen
in diese Erzählungen Versatzstücke tatsächlicher Begebenheiten
ein. »
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Leider ist die Korsakow-Erkrankung in der Regel durch Abstinenz
kaum noch heilbar. Für viele Patienten endet der Raubbau an ihrer
mentalen Gesundheit auf einer geschlossenen Station der Psychiatrie.
Es ist anzunehmen, dass die weitreichenden Schädigungen des Hirns
durch einen Mangel an Thiamin (Vitamin B1) hervorgerufen werden, der
wiederum durch die oft unzureichende und einseitige Ernährung vieler Alkoholabhängiger sowie
durch alkoholinduzierte Stoffwechselstörungen verursacht wird.
Es werden im Laufe der Erkrankung auch andere Teile des Hirns in Mitleidenschaft
gezogen. Lesen Sie mehr dazu in unserem Kapitel 'Erkrankungen'.
Eifersuchtswahn
Eifersuchtsvorstellungen sind bei Alkoholikern häufig. Bei einem
kleinen Teil verdichten sie sich zur Entwicklung eines Eifersuchtswahns.
Faktoren der Wahnentwicklung sind die begreifliche Abkehr des Partners
wegen des Trinkens, das gestörte Verhältnis zur Umwelt und
die oft alkoholbedingte Impotenz bei vorübergehend gesteigerten
sexuellen Wünschen. Die Schuld am eigenen Versagen wird abgewehrt
und auf den Partner übertragen. Die Verdächtigungen nehmen
oft groteske Formen an. Der Eifersuchtswahn kann chronisch werden und
auch bei späterer Abstinenz fortbestehen. Er führt nicht selten
zur Anwendung von Gewalt.
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