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Alkoholkrankheit » Die chronische Phase


Ohne wirksame Intervention endet die chronische Phase der Alkoholerkrankung im körperlichem Verfall und/oder in geistiger Umnachtung. Gravierende soziale Folgen wie Obdachlosigkeit und Heimeinweisung stehen am Ende jeder 'ungebrochenen' Alkoholikerlaufbahn. Bevor es aber soweit kommt, durchläuft der Betroffene mehrere Phasen der Erkrankung, in denen die schlimmsten Entwicklungen durch konsequente Therapien noch aufgehalten oder gar umgekehrt werden können. Es ist also (fast) nie zu spät einzugreifen.

Verlängerte, tagelange Räusche

Jeglicher Widerstand gegen das exzessive Trinken bricht in der chronischen Phase. Allmorgendliches Trinken wird zum Bedürfnis. Der Alkoholkranke ist nun sehr häufig stark betrunken. Diese Zustände halten zuweilen über mehrere Tage an. Selbst die einfachsten Tätigkeiten werden zur Belastung und können oft gar nicht mehr ausgeführt werden; eine geregelte Arbeit ist unmöglich.

Beeinträchtigungen des Denkens, psychomotorische Hemmungen

Gedächtnislücken, Konzentrationsstörungen und eine stark verminderte mentale Leistungsfähigkeit sind kennzeichnend für die chronische Phase der Alkoholerkrankung. Dem Betroffenen fällt es schwer, seine Gedanken zu 'ordnen'. Er ist nicht mehr in der Lage, komplexe Tätigkeiten auszuüben.

Ethischer Abbau

Der Alkoholkranke kümmert sich zunehmend weniger um die Folgen seines Dauerrausches auf die Familie und sein soziales Umfeld. Es kommt zu peinlichen Szenen in der Öffentlichkeit. Wesentliche moralische Grundsätze - wie Verantwortung, Ehrlichkeit und Treue - werden im Zuge der unkontrollierbaren Sucht immer häufiger gebrochen.

An der Tankstelle

Gelbe Engel

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Trinken mit Personen weit unter Niveau

Schamgefühle gegenüber Freunden und Bekannten und der Verlust der gewohnten gesellschaftlichen Stellung haben zur Folge, dass der Betroffene Anschluss nun vor allem in einem Umfeld sucht, das dem Trinken weniger kritisch gegenübersteht. Der Alkoholkranke gesellt sich zunehmend zu Trinkern und anderen Personen, von denen er keine Vorhaltungen zu erwarten hat.

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Zuflucht zu technischen Produkten

Das Trinken wird zum unerträglichen körperlichen Zwang. Sind Bier, Wein und 'harte' Spirituosen nicht greifbar, muss der Alkoholkranke nun auf alkoholhaltige technische Produkte wie Haarwasser, Mundspülungen, Hustensäfte, Parfüms und Brennspiritus ('vergällter Alkohol') zurückgreifen. Daraus resultieren oft schwerwiegende körperliche Schäden durch Intoxikation.

Verlust der Alkoholtoleranz, 'besessenes' Trinken

Wenn früher immer größere Mengen Alkohol benötigt wurden, um den gewünschten Effekt zu erzielen, verträgt der Alkoholkranke nun zunehmend weniger. Schon relativ geringe Mengen Spirituosen können starke Rauschzustände auslösen, die dann aber wesentlich kürzer sind als früher. Deshalb trinkt der Alkoholkranke in immer kürzeren Abständen, wie 'besessen'. Dabei bekommt er bald nichts mehr mit, schaltet innerlich ab.

Undefinierbare Ängste, Zittern, schwere Entzugserscheinungen

Sobald der Alkoholspiegel unter das gewohnte Maß sinkt, treten undefinierbare Ängste auf, die von starkem Zittern (Tremor) begleitet werden. Jeder Kater ist nun durch deutliche Entzugserscheinungen gekennzeichnet und schreit geradezu nach erneuter Zufuhr von Alkohol. Während eines solchen 'kleinen Entzugs' treten psychomotorische Hemmungen auf, die das Verrichten von bestimmten Tätigkeiten schwierig machen, die eine gewisse Koordination verlangen (wie Korken ziehen, Rad fahren...)

Auch auf die Psyche hat ein sinkender Alkoholpegel gravierende Auswirkungen. Ständige Niedergeschlagenheit bis hin zu schweren Depressionen, Angstzuständen, Panikattacken und traumatischen Neurosen sind keine Seltenheit. Konzentrations- und Gedächtnisstörungen machen das soziale 'Funktionieren' immer schwieriger.

Panik

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Unbestimmte religiöse Wünsche, Krisen und Depressionen

Da sich viele Alkoholkranke ihre Sucht nicht erklären können, suchen sie zunehmend Zuflucht in undeutlichen religiösen Vorstellungen. Weil die gewohnten Erklärungsmuster nicht nur Freunden, Bekannten und Kollegen, sondern auch dem Betroffenen selbst nicht mehr tragfähig erscheinen, kommt es häufig zu schweren psychischen Krisen. Viele Alkoholkranke suchen und akzeptieren erst jetzt professionelle Hilfe. Andere stürzen in so tiefe Depressionen, dass ihnen der Suizid als einziger Ausweg erscheint. Eine ärztliche Intervention in der Entgiftungsklinik (oft auch mit Psychopharmaka) ist nun dringend angezeigt. Eine Allgemeinklinik bietet dagegen meist weder eine ausreichende medizinische und psychologische Betreuung, noch das für die Gesundung nötige Klima der freundlichen Akzeptanz.

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Schwere Erkrankungen von Geist und Psyche

Bei einigen schwer Alkoholkranken treten (nicht nur) während des Rauschs alkoholische Psychosen wie Schizophrenie auf (Stimmen hören, Verfolgungswahn...) Der weitere Verlauf der Krankheit ist durch Alkoholdelirien gekennzeichnet, die durch Wahrnehmungsstörungen, Ängste und Desorientierung gekennzeichnet sind. Halluzinationen, Polyneuropathien, Krampfanfälle sowie die verheerende Korsakow- und Wernicke-Erkrankung läuten das Endstadium ein, wenn nicht sofort eine dauerhafte Abstinenz mit intensiver medizinischer Betreuung in einer Entzugsklinik eingeleitet wird. Rückfälle sind jedoch in diesem Stadium der Erkrankung eher die Regel als Ausnahme.

Geburtstag

Mehr Informationen zu den typischen schweren Erkrankungen finden Sie im Anschluss.

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Halluzinosen

Bei dieser selteneren Psychose bestimmen vorwiegend akustische Wahnvorstellungen das Krankheitsbild. Das Bewusstsein ist klar. Der ängstlich-gequälte Alkoholiker hört meist Stimmen mehrerer nicht anwesender Personen, die in seiner Einbildung über ihn "diskutieren und schimpfen". Manche Kranke versuchen, den "Stimmen" zu entfliehen. Sie verbarrikadierten sich wie "Belagerte" in ihrem Zimmer.

Die Alkoholhalluzinose tritt meist im mittleren Lebensalter auf, oft nach einer Periode von Trinkexzessen. Wird der Alkohol abgesetzt, so klingt die Halluzinose in den meisten Fällen innerhalb weniger Tage ab. Trinken die Kranken wieder, kommt es leicht zu einer Wiederholung. Bei einem Fünftel der Fälle wird die Alkoholhalluzinose chronisch (schizophrenieähnlich). In seltenen Fällen ist der Endzustand eine Demenz.

Zur Behandlung von Halluzinosen werden in der Regel Neuroleptika und bei Epilepsien Antikonvulsiva eingesetzt.

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Krampfanfälle

Die Anfälle gleichen denen der Epilepsie. Sie treten ebenfalls häufig bei plötzlichem Entzug (20-30 % der Abhängigen) auf, allein oder als Begleiterscheinung des Delirs. Es gibt auch "nasse Krämpfe" während der Trinkphasen. Ist einmal ein Krampfanfall aufgetreten, bleibt die Neigung dazu chronisch. Bei jedem epileptischen Anfall kommt es zu einem Massensterben von Gehirnzellen.

Der Alkoholkranke stürzt wie ein Epileptiker plötzlich unter schweren Zuckungen und Krämpfen zu Boden und kann sich dabei ernsthaft verletzen. Erbrechen während eines Anfalls kann zum Tod durch Ersticken führen.

Vorbeugend werden Krampfanfälle bei den dazu neigenden Patienten (falls bekannt) mit Carbamazepin behandelt.

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Wernicke-Krankheit

Die Wernicke-Enzephalopathie ist eine schwere alkoholbedingte Psychose, die nach einem Alkoholdelir auftreten kann. Sie ist die Folge einer Hirnschädigung, die - wie auch die Korsakow-Erkrankung - wahrscheinlich auf einen chronischen Mangel an Thiamin (Vitamin B1) zurückzuführen ist. Der Übergang zum Korsakow-Syndrom ist fließend, weshalb die Krankheit oft auch Wernicke-Korsakow-Syndrom genannt wird.

Typisch für die Wernicke-Enzephalopathie sind:

* Schläfrigkeit und Apathie

* Augenmuskellähmungen und Doppeltsehen

* Beeinträchtigungen der Muskelbewegungen, Reflexstörungen, Störungen der Feinmotorik

* Sprech- und Schluckstörungen

* Bewusstseinstrübungen, Desorientiertheit, Schlafstörungen sowie

* verschiedene vegetative Störungen.

Nur bei absoluter Alkoholabstinenz mit gleichzeitiger Gabe von Thiamin (Vitamin B1) kann nach längerer Zeit die Leistungsfähigkeit unter Umständen partiell wiederhergestellt werden. Wird die Wernicke-Krankheit nicht behandelt, kann sie tödlich verlaufen. Überlebt der Patient, bleibt meist ein Korsakow-Syndrom zurück.

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Alkoholdelir (Delirium Tremens)

Alkoholdelirien treten nachjahrelangem schwerem Alkoholmissbrauch während eines starken Rausches oder während des Entzugs auf.

Ernstzunehmende Vorboten des gefährlichen Anfalls zeigen sich oft bereits Wochen vorher. Anlass zur Sorge und Intervention bieten:

Schlaflosigkeit, Zittern, Schreckhaftigkeit und vor allem furchteinflößende halluzinatorische Zustände bei Nacht, bei denen imaginierte Personen und Tiere in oft theaterähnlichen Szenen auftreten und den Alkoholiker bedrohen. Jede Form der Halluzination, und sei sie auch 'nur' akustisch, sollte Grund für einen Arztbesuch sein, um Schlimmeres zu verhindern.

Das 'Alkoholdelirium' oder 'Prädelir' ist Teil einer Alkoholpsychose, die durch verschiedenste optische und akustische Sinnestäuschungen gekennzeichnet ist. Die Persönlichkeit des Alkoholkranken scheint 'gespalten'. Blutdruck und Puls erhöhen sich, Zittern und starkes Schwitzen werden zum Problem.

Ein Delirium Tremens ist ein lebensbedrohlicher Anfall, der bei 20% der unbehandelten Fälle tödlich verläuft! Zu einem unfreiwilligen Entzug mit fatalen Folgen kommt es häufig nach Unfällen mit anschließender Einweisung in ein Krankenhaus, wenn das Pflegepersonal entweder nicht über die Alkoholerkrankung des Patienten informiert ist, oder die Tragweite eines plötzlichen Entzugs nicht erkennt. Bei der stationären Behandlung von Alkoholkranken ist immer äußerste Vorsicht geboten. Das Auftreten eines Delirium Tremens muss unter allen Umständen verhindert werden.

Beim extremen Rausch sowie auch beim plötzlichem Absetzen des Alkohols kann es bei schwer Alkoholabhängigen nach 1 bis 3 Tagen zu einer dramatischen Fehlschaltung im Gehirn kommen, die verheerende Folgen hat.

Häufige Begleiterscheinung des Delirium Tremens sind:

1.) Bewusstseinstrübungen, Halluzinationen (Einbildung von Stimmen, Personen) bis hin zur völligen Geistesverwirrung

2.) Starke Ängste, traumatische Zustände, Weltuntergangsstimmung, Verfolgungswahn (Achtung: Gefährdung des eigenen Lebens und des Lebens anderer!)

3.) Epilepsieartige Krampfanfälle bis hin zum 'Grand Mal' mit einer erhöhten Verletzungsgefahr

4.) Orientierungslosigkeit bezüglich Ort, Zeit und Situation; die personenbezogene Orientierung bleibt jedoch meist erhalten

5.) Erhöhte Beeinflussbarkeit, Minderung der Kritikfähigkeit

6.) Psychomotorische Unruhe (nestelnde Hände, Fahrigkeit, Gestikulieren, Schreien)

7.) Gefahr eines Kreislaufzusammenbruchs

Das Delir wird auch als Einbruch von Traumphasen in den Wachzustand interpretiert. Es dauert gewöhnlich 2 bis 5 Tage und klingt spontan ab. Manche Patienten zeigen vor dem eigentlichen Delir Prodomalerscheinungen (Schreckhaftigkeit, Angst, Zittern). Dieser Zustand wird Prädelir genannt. Ein Delir kann in ein Korsakow-Syndrom, eine alkoholische Demenz oder in die Wernicke-Krankheit übergehen.

Das Delirium Tremens kann nur auf einer Intensivstation behandelt werden. Es lässt sich mit Clomethiazol dämpfen (Blutdrucksenkung), nach Bedarf muss zusätzlich sediert werden, z.B. mit Benzodiazepinen. Nicht selten besteht bei häufig auf Entzug behandelten Patienten eine Abhängigkeit von Distraneurin (Clomethiazol). In solchen Fällen wird das weniger wirksame Butyrophenon (z.B. das Neuroleptikum Haloperidol) verwendet.

Umfangreicher Artikel zur Behandlung von Delirien »


Korsakow-Syndrom

Diese schwerste Form der Gehirnschädigung durch Alkohol wurde nach dem russischen Psychiater Sergej Korsakow benannt, der sie 1880 erstmals beschrieb. Der davon betroffene Alkoholkranke erleidet durch das Absterben bestimmter Gehirnregionen einen gravierenden Gedächtnis- und Orientierungsverlust, der zur Folge hat, dass er unter Umständen überhaupt kein "Gestern" oder "Morgen" mehr kennt, sich räumlich nicht mehr orientieren kann, und auch engste Bezugspersonen nicht wiedererkennt.

Trotz aller Einschränkungen können jedoch Aufgaben, die auf eingespeicherten motorischen Programmen beruhen, ohne weiteres erlernt und und ausgeführt werden.

Einige Betroffene glauben in einer anderen Zeit und/oder an einem anderen Ort zu leben. Sie passen dann häufig auch ihr Verhalten dieser imaginierten Umgebung an.

Häufig ist die Merk- und Lernfähigkeit schwer beeinträchtigt. Neue Informationen können entweder gar nicht erst gespeichert oder nach der Aufnahme nicht artikuliert werden ('anterograde Amnesie'). Im Falle einer retrograden Amnesie kann der Patient die Vergangenheit nicht rekapitulieren oder mitteilen.

Ein weiteres Merkmal der Korsakow-Erkrankung ist die Konfabulation. Der Alkoholkranke erzählt Geschichten, die schlichtweg erfunden sind, aber von ihm als wahr empfunden werden. Häufig fließen in diese Erzählungen Versatzstücke tatsächlicher Begebenheiten ein. »

Leider ist die Korsakow-Erkrankung in der Regel durch Abstinenz kaum noch heilbar. Für viele Patienten endet der Raubbau an ihrer mentalen Gesundheit auf einer geschlossenen Station der Psychiatrie. Es ist anzunehmen, dass die weitreichenden Schädigungen des Hirns durch einen Mangel an Thiamin (Vitamin B1) hervorgerufen werden, der wiederum durch die oft unzureichende und einseitige Ernährung vieler Alkoholabhängiger sowie durch alkoholinduzierte Stoffwechselstörungen verursacht wird. Es werden im Laufe der Erkrankung auch andere Teile des Hirns in Mitleidenschaft gezogen. Lesen Sie mehr dazu in unserem Kapitel 'Erkrankungen'.


Eifersuchtswahn

Eifersuchtsvorstellungen sind bei Alkoholikern häufig. Bei einem kleinen Teil verdichten sie sich zur Entwicklung eines Eifersuchtswahns. Faktoren der Wahnentwicklung sind die begreifliche Abkehr des Partners wegen des Trinkens, das gestörte Verhältnis zur Umwelt und die oft alkoholbedingte Impotenz bei vorübergehend gesteigerten sexuellen Wünschen. Die Schuld am eigenen Versagen wird abgewehrt und auf den Partner übertragen. Die Verdächtigungen nehmen oft groteske Formen an. Der Eifersuchtswahn kann chronisch werden und auch bei späterer Abstinenz fortbestehen. Er führt nicht selten zur Anwendung von Gewalt.

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Fazit

Die genannten drei Phasen der 'Alkoholikerlaufbahn' bieten nur ein grobes Verlaufsmuster der Erkrankung. In praxi schreitet die Alkoholabhängigkeit bei jedem Betroffenen unterschiedlich schnell voran und trägt auch von Fall zu Fall andere Züge. Die Entscheidung über die Schwere der Erkrankung und die damit verbundenen Therapiemaßnahmen hängt also stark vom Einzelfall ab und sollte nicht allein 'nach dem Lehrbuch' erfolgen.

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