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Alkoholkrankheit » Die kritische Phase


Da sich gesundheitliche und soziale Probleme erst allmählich einstellen, besteht in dieser Phase in der Regel noch kein großer Leidensdruck; der Betroffene kommt eigentlich 'ganz gut klar' und sucht daher in den seltensten Fällen Hilfe. Oft hat er seinen Freundeskreis und seine Lebensgewohnheiten so weit umgestellt, dass sich der Alkoholkonsum noch ganz gut integrieren lässt, ohne von der Umwelt als störend empfunden zu werden. Sollte es doch einmal Probleme geben, werden sie auf Andere und Anderes abgewälzt, bagatellisiert oder im Alkohol ertränkt. Die Fähigkeit zu temporärer Abstinenz besteht meist noch, und Trinkpausen nähren die Illusion, alles 'im Griff' zu haben, obwohl dem schon seit geraumer Zeit nicht mehr so ist.

Kontrollverlust

Typisch für den Beginn der kritischen Phase sind Kontrollverluste. Schon nach einer geringen Menge Alkohol empfindet der Alkoholkranke ein intensives Verlangen nach mehr, das erst endet, wenn er zu elend ist, um mehr zu trinken. Dabei besteht jedoch noch ein Rest von Kontrolle.

Der Alkoholkranke versucht, über längere Zeiträume abstinent zu bleiben oder seinen Alkoholkonsum einzuschränken, scheitert aber immer wieder. Er beginnt, sich selbst Trinkregeln zu setzen ("nicht vor 14 Uhr", "keine harten Alkoholika", "nur ein Bier am Abend" usw.) Leider wird dieses System oftmals nicht nur durch seine eigene beginnende Sucht, sondern auch durch das Unverständnis seiner Umgebung zerstört ("Trink doch noch einen mit...") Bis zu diesem Zeitpunkt ist sich der Betroffene in der Regel noch nicht darüber im Klaren, dass er nicht mehr dauerhaft abstinent bleiben kann. Er versucht ständig, 'sich zu beherrschen', sich 'wieder in den Griff zu bekommen'.

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Veränderungen des Trinkverhaltens

Die Gedanken kreisen nun fast ständig um Alkohol. Der Alkoholkranke ist darauf bedacht, in jedem Moment Zugang zu Alkohol zu haben, wenn er ihn benötigt. Er legt Notrationen an, versteckt Flaschen, trägt Flachmänner und 'Schluckis' bei sich, trinkt mit dem Strohhalm, um die Wirkung zu erhöhen... und ist dabei immer darum bemüht, sein Trinkverhalten noch 'normal' erscheinen zu lassen.

Erste Anzeichen von Abhängigkeit »

Da das Trinken ausreichender Mengen Alkohol in Gesellschaft oftmals nicht möglich ist, steigt der Abhängige zunehmend auf 'Hochprozentiges' um. Bei gesellschaftlichen Anlässen, Treffen mit Freunden usw. wird der Alkoholkonsum dagegen meist REDUZIERT und nicht mehr zum Thema gemacht, um nicht aufzufallen (eines der deutlichsten Anzeichen beginnender Sucht). Viele Alkoholkranke kommen bereits alkoholisiert zu Verabredungen und trinken heimlich weiter.

Um die Entzugserscheinungen abzufedern und den sozialen Verpflichtungen weiterhin nachkommen zu können, beginnt der Alkoholkranke schließlich auch morgens zu trinken. Die chronische Phase deutet sich an.

Erklärungsmuster und Alibis

Da Freunde, Familie und Kollegen beginnen, auf sein Problem aufmerksam zu werden, versucht er die Gründe für sein Trinken an äußeren Umständen festzumachen (Beziehungskonflikte, Stress, Mobbing...) Jeder Rausch hat in den Augen des Alkoholkranken einen plausiblen Auslöser. Dieser 'gute Grund zu trinken' ist nur ein Baustein in einem komplexen Erklärungsmuster, das er sich zurechtlegt, um sich zu schützen. In diesem System gehen Lügen und Selbsttäuschung oft Hand in Hand. Der Alkoholkranke will vor der Umwelt, aber vor allem auch vor sich selbst das Gesicht nicht verlieren.

Der Alkohol dient zunehmend als 'Allheilmittel' für alle Arten von Problemen und Konflikten, die scheinbar nicht mehr anders zu lösen sind. Parallel dazu sinkt die Fähigkeit, sich Auseinandersetzungen ohne Zuhilfenahme von Rauschmitteln zu stellen. Immer sind 'Andere' oder 'Anderes' für das Dilemma verantwortlich. Dieses Erklärungsmuster wird auf alle Bereiche des täglichen Lebens ausgedehnt, da ja auch der Alkohol alle Sphären zu besetzen beginnt.

Der Alkoholkranke wird (scheinbar grundlos) aggressiv, reizbar und übellaunig. Kritik und Interventionsversuche stoßen auf Widerstand oder werden durch Ausflüchte abgewehrt. Die Bandbreite der Ausreden wird immer größer. Arrogantes, narzisstisches, großspuriges und übertrieben selbstbewusstes Verhalten soll den zunehmenden Selbsthass kaschieren und einem Autoritätsverlust vorbeugen. Aber auch dadurch ist die soziale Isolation oftmals nur zeitweilig aufzuhalten.

Guter Grund

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Veränderung der Lebensgewohnheiten

Das zum Selbstschutz und als Alibi für das Trinken entworfene Erklärungsmuster schafft Veränderungen im gesamten Leben des Alkoholkranken. Viele Freunde und Hobbies werden als 'Ballast' abgeworfen und durch eine 'affirmative' Umgebung ersetzt. So wendet sich der Alkoholkranke (oft plötzlich, radikal und aus geringfügigen Anlässen) von ehemals nahestehenden, geliebten Menschen ab aus Angst, dass sie sein Problem erkennen und ihn dafür verachten könnten. Um nicht als bedürftig und schwach zu erscheinen, führt er als Gründe für eine Trennung an, er sei erst durch ihr 'falsches' Verhalten abgerutscht. Da viele Freunde und Angehörige das Ausmaß seiner Erkrankung selbst noch nicht erkannt haben, stehen sie diesen unerwarteten, aggressiven und ungerecht erscheinenden Attacken hilflos gegenüber.

Um weiterer Kritik von vorn herein aus dem Wege zu gehen, verbringt der Alkoholkranke immer mehr Zeit allein - oder aber mit Menschen, die entweder selbst (und mit ihm) trinken, die dem Trinken unkritisch gegenüberstehen und/oder ein typisch coabhängiges Verhalten an den Tag legen. Oftmals entstehen dadurch 'passive' Beziehungen, in denen man regelmäßig gemeinsam 'versumpft'.

Pascha

Der Alkoholkranke verliert das Interesse an fast allem, was ihm einmal wichtig war, und beginnt sein Leben vollständig nach seinem Trinkmuster auszurichten. Die Beschaffung von Alkohol steht an erster Stelle; alles andere erscheint zunehmend bedeutungslos. Für geregelte Arbeit und intensive, aktive Beziehungen fehlt nun die Kraft. Arbeitsverhältnisse und Freundschaften werden vom Alkoholiker 'vorausschauend' aufgekündigt, bevor andere ihm kündigen können. Diese Fluchtversuche schließen auch einen Ortswechsel nicht aus.

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Psychische Folgen

Das schwindende Selbstwertgefühl des Abhängigen äußert sich häufig in Depressionen und Selbstmitleid. Der Alkoholkranke leidet unter starken Schuldgefühlen; er ist nun ständig niedergeschlagen (auch wenn er oft noch die Fassade zu wahren weiß), und sieht darin wiederum einen guten Grund zum Trinken. Freunde und Verwandte ziehen sich zurück oder werden vertrieben, wenn der Kontakt mit ihnen eine zu große Belastung für den ohnehin schon Belasteten darstellt. Dadurch geht der soziale Rückhalt verloren, der doch so wichtig wäre, um den Abstieg aufzuhalten.

Permanente Reue, Selbstvorwürfe und Scham führen im weiteren Verlauf oft zu ernsthaften psychischen und somatischen Erkrankungen, die ebenfalls behandlungsbedürftig sind. Nicht selten stellt der Missbrauch anderer Drogen (z.B. von Kokain, Amphetaminen und Medikamenten) ein probates Mittel dar, Depressionen selbst zu therapieren, den Kater abzuschwächen und die Leistungsfähigkeit zeitweilig aufrecht zu erhalten.

Auswirkungen auf Freunde und Familie

Familienmitglieder und enge Freunde werden häufig zu Coabhängigen, die die Probleme des Alkoholkranken 'deckeln'. Sie ziehen sich (oft auch trinkend) gemeinsam mit dem Betroffenen aus dem sozialen Leben zurück und isolieren sich damit selbst, oder sie versuchen dem schwierigen Alltag zu entgehen, indem sie sich in Aktivitäten 'stürzen'. (Lesen Sie rechts weiter »)

Die (anfangs unerklärlichen) Stimmungsumschwünge, Verdächtigungen, Aggressionen, Eifersuchtsanfälle und Ausbrüche von Verfolgungswahn fordern auch von ihnen einen hohen Tribut. Viele Angehörige nehmen sich die Schuldzuweisungen des Kranken an und leiden selbst unter Schuldkomplexen und Minderwertigkeitsgefühlen.

Körperliche Veränderungen

Mit zunehmendem Kontrollverlust nach längerem Alkoholmissbrauch treten auch körperliche Symptome auf. Typisch sind z.B. das Händezittern am Morgen, Schweißausbrüche, Übelkeit und Brechreiz, Gewichtsverlust, Schlafstörungen sowie sexuelle Probleme bis hin zur Impotenz. Die Intervalle zwischen 'trockenen' Phasen werden immer kürzer und seltener.

Viele Alkoholkranke haben vor allem nach dem Rausch mit Übelkeit zu kämpfen und nehmen deshalb kaum noch Nahrung zu sich. Essen ist morgens häufig überhaupt nur nach dem Konsum von Alkohol möglich. Durch die zunehmende Mangel- und Unterernährung tritt eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustands ein; das Immunsystem wird stark in Mitleidenschaft gezogen.

Es folgen die ersten stationären Einweisungen wegen alkoholbedingten Beschwerden (Depressionen, Bewusstlosigkeit, Magen/Darm Probleme usw.) Diese körperlichen und psychischen Erkrankungen werden vom Arzt leider nicht immer als Warnsignale interpretiert, weil der Alkoholkranke gelernt hat, seine Trinkgewohnheiten zu vertuschen.

Chronische Phase »

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